Notre-Dame vs. der Hunger im Jemen

Bildquelle: Milliped [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)]

Liebe Gabriela,

Du hast auf Deiner Facebookseite einen Beitrag mit diesem Text geteilt:

310 Millionen Euro..Spendengelder binnen Stunden..kann jemand diesem Kind erklären warum er nicht wichtig genug ist?….und kommt mir nicht mit “es ist nicht vergleichbar”…das ist die Realität….

Ich erneure : 700 Millionen..,.18.40 Uhr

Begleitet wird Dein Text von einem zusammengesetzten Foto. Links sieht man die brennende Kathedrale, rechts sieht man ein bis auf die Knochen abgemagertes Kind. Was willst Du uns damit sagen? Sollte man die Kirche gar nicht wieder aufbauen? Oder störst Du Dich an der Spendenbereitschaft?

Aber ich will gerne versuchen, Dir zu antworten und Dir zu zeigen, dass Du Dinge miteinander vergleichst, die man tatsächlich so nicht vergleichen kann.

Was für ein Kind wird dort gezeigt?

Ich habe mich zunächst einmal gefragt, was für ein Kind Du da zeigst. Mit ein wenig googeln komme ich auf diese Seite: Jemen, größter Choleraausbruch der Geschichte

Dort wird ein Kind im Krankenhaus gezeigt. Bei dem von Dir geteilten Bildausschnitt kommt das nicht heraus. Das Kind ist in guten Händen. Dieses Kind wurde – im Unterschied zu Deinem Text- gerettet. Es ist übrigens nicht deshalb abgemagert, weil es aus dem Hungergebiet der Sahelzone kommt. Es leidet vielmehr an Cholera. Daran sterben im Jemen tatsächlich viele Leute, aber eben nicht dieses Kind. Cholera ist an sich einfach zu behandeln. Allerdings nicht, wenn man in einem Bürgerkriegsland wie dem Jemen wohnt. Dieser Bürgerkrieg läuft seit 2004, also seit 15 Jahren. Zum Vergleich: der zweite Weltkrieg hat 6 Jahre gedauert.

Die Rolle Saudi-Arabiens?

Ein wichtiger Teilnehmer an diesem Bürgerkrieg ist Saudi-Arabien. Aufgrund seiner Ölvorkommen eines der reichsten Länder dieser Erde. Ohne das Eingreifen Saudi-Arabiens wäre dieser Bürgerkrieg wahrscheinlich schon längst vorbei. Es hätte dann aber wohl die andere Seite gewonnen, also diejenige, die die Saudis nicht gewinnen sehen wollten. Die Details dieses Krieges vermag ich nicht zu durchdringen, aber dieser Krieg ist die Ursache des Leidens im Jemen. Und damit auch die Ursache der Cholera. Und damit auch die Ursache für das Foto, das Du der brennenden Kathedrale gegenübergestellt hast.

An wen solltest Du Deine Kritik richten?

Deine Kritik am Gesundheitszustand des Kindes ist zunächst einmal berechtigt. Sei mit Deiner Kritik laut. So laut wie Du kannst. Kein Kind sollte so in Not sein wie das Kind auf diesem Bild. Ich möchte Dich aber bitten, Dich mit Deiner Kritik an die richtige Adresse zu wenden. Und das sind nicht die Spender für Notre-Dame, das sind vielmehr

  1. die Streithähne im Jemen, worum auch immer die sich genau bekriegen und
  2. Saudi-Arabien, das diesen Krieg massiv befördert hat und das auch die finanziellen Ressourcen hätte, das Leid der Kinder im Jemen mit einem Fingerschnippen zu lindern.

Da geht es zum einen um Geld, das Saudi-Arabien reichlich hat, zum zweiten aber auch darum, dass wichtige Versorgungshäfen des Landes durch den Krieg nicht zugänglich sind. In dieser Kriegslage wirst Du auch mit Geld nur wenig bewegen, weil die Hilfe gar nicht in Land kommt. Details dazu gibt es z.B. hier.

Dieser Bürgerkrieg hat schon viel Leid für die Menschen im Jemen mit sich gebracht. Da geht es nicht nur um die Cholera, auch um Hunger, der von den Kriegsparteien für den Gegner vorsätzlich herbeigeführt, und natürlich auch um die Opfer der Kampfhandlungen an sich. Im Jemen bräuchte man ganz viele Christen, die dort Frieden stiften, so wie Jesus uns das aufgetragen hat: selig sind, die Friedens stiften.

Kommen wir nun zur anderen Seite Deines Vergleichs. Zu Notre-Dame.

Notre-Dame ist eine wichtige Kirche für Europa. Es ist eine der größten und eine der ältesten.Der Bau begann 1163. Die Kirche wurde 1345 fertig gestellt. Sie ist rund 700 Jahre alt. Und schon vorher stand dort eine Kirche. Generationen von Christen haben diese Kirche gesehen, sie besucht, dort gebetet, von dieser Kirche erzählt.

Sie ist ein steinerner Zeitzeuge für ein christliches Europa.

Als Jesus nach Jerusalem einzog (Lukas 19,28ff) riefen seine Jünger ihm zu

“Gelobt sei der da kommt, der König, in dem Namen des
Herrn!”

Das gefiel den Pharisäern nicht, und sie wiesen Jesus an, die Menge zum Schweigen zu bringen. Jesus entgegnete ihnen:

„Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.“

Und genau deswegen sind diese steinernen Zeugen der christlichen Vergangenheit Europas so wichtig. In unserer Zeit sind solche Bauwerke wie Notre Dame Steine, die das Bekenntnis zu Jesus herausschreien. Wir brauchen solche Zeugen, um unserem Kontinent zu zeigen, wo unsere Wurzeln liegen. Wo sie zumindest lagen und wo sie erneut liegen müssen. Wir brauchen sie weil

  1. in unserer Zeit Millionen Menschen in Europa dem christlichen Glauben den Rücken kehren und
  2. weil wir gleichzeitig in Europa Millionen Menschen muslimischen Glaubens aufgenommen haben, die die christlichen Wurzeln Europas zum Teil offen in Frage stellen.

Kirchen wie Notre-Dame sind für die Zukunft des christlichen Glaubens in Europa eine wichtige Stütze. Diese Kathedrale muss wieder aufgebaut werden. Sie erinnert unseren Kontinent daran, wie er wieder sein sollte.

Die Bibel zieht übrigens an vielen Stellen einen direkten Zusammenhang zwischen Glauben und dem Halten der Gebote Gottes auf der einen Seite und Wohlergehen des ganzen Landes auf der anderen Seite. Oder im anderen Fall zwischen Unglauben und dem Brechen der Gebote Gottes auf der einen Seite und dem Niedergang des ganzen Landes auf der anderen Seite. Klassisch dazu sind z.B. die lange Ausführung zu Segen und Fluch in 5. Mose 28. Ein Text, den sich unser Land ganz dringend hinter die Ohren schreiben muss.

Aber was kostet das?

Du wirst jetzt wahrscheinlich nach den Kosten für den Wiederaufbau von Notre Dame fragen. Im Gespräch sind mittlerweile eine Milliarde Euro, zumindest an Spenden. Genaue Zahlen kennt noch keiner. Das ist zum großen Teil Lohn für die Arbeiter, die die Arbeit machen werden. Zum einen in Notre Dame und zum anderen da, wo z.B. das Holz für den neuen Dachstuhl herkommen wird. Auch das ist in erster Linie Arbeitslohn. Das ist Geld, das deren Familien zu Gute kommt. Geld, mit dem diese Menschen ihren Lebensunterhalt bezahlen werden.

Und im Vergleich?

Versuchen wir doch einmal gemeinsam, die Zahlen in den richtigen Bezug zu setzen. Denn Du hast die Kosten für ein Gebäude mit den Kosten für die Pflege EINES kranken Kindes in Bezug gesetzt. Und das ist nicht richtig.

Europa hat rund 750 Mio Einwohner. Die Kosten für den Wiederaufbau von Notre Dame sind damit knapp über 1 EUR pro Europäer.

Wenn wir es nur auf Frankreich beziehen, dann sind das bei 67 Mio Einwohner nur 14 EUR pro Person. Jeder geht einmal weniger ins Kino und das Geld ist wieder drin.

Beziehen wir es mal auf die Kirchengemeinde Notre-Dame. Laut Wikipedia (https://en.wikipedia.org/wiki/Notre-Dame_de_Paris ) gehören zur Kirchengemeinde 525.600 Mitglieder. Eine Milliarde sind also rund 2000 EUR pro Gemeindemitglied. Wenn ich mir zum Vergleich dazu das Kirchengebäude unserer Freikirche anschaue, dann sind wir – auch wenn unser Gebäude natürlich viel kleiner ist und nur rund 80 Leute fasst – da nicht billiger weggekommen.

Notre-Dame hatte 14 Mio Besucher pro Jahr. Das sind in 10 Jahren, die der Wiederaufbau vielleicht dauern wird, 140 Mio Besucher oder 8 EUR pro Besucher. Notre-Dame ist neben dem Eiffelturm DIE zentrale Touristenattraktion des Landes. Da ist es auch im Interesse des Staates, diese Kathedrale wieder aufzubauen.

Ich meine daher, dass das Geld für den Wiederaufbau dieses Gebäudes gut investiertes Geld ist. Es ist gut für Paris, gut für Frankreich und gut für die Kirche in Europa.

Und jetzt, Gabriela, bist Du wieder an der Reihe. Wo siehst Du jetzt das Problem darin, die Kirche wieder aufzubauen?