Corona: ja zum Homeschooling

Die Coronaschutzmaßnahmen haben zu einer unerwarteten Wendung geführt: Homeschooling ist in Deutschland jetzt erlaubt, es ist für viele Schüler geradezu zur Pflicht geworden. Auch wenn Corona viele Probleme macht, so kann ich mich mit diesen Aspekt der Krise gut anfreunden.

Klar, es kommen umgehend die üblichen Bedenkenträger aus ihren ideologischen Schützengräben: geht nicht, darf nicht, kann nicht, will nicht. Man präsentiert sogar schon schon absurde Rechnungen, wie viel Lebenseinkommen den Kindern in den kommenden 60 Jahren abhanden kommt, wenn die Schule nicht mehr im Schulgebäude stattfindet.

Ich hingegen halte alle diese Bedenken für ausgemachten Unsinn, und ich will erklären, wieso.

Homeschooling in den USA

Um dies zu erkennen, reicht ein kleiner Blick über den großen Teich: In den USA gibt es für diejenigen Eltern, die das wollen, ein verbrieftes Recht auf Homeschooling. Und es gibt viele Kinder, die damit gute Ergebnisse abliefern. Es besteht in den USA lediglich eine Bildungspflicht, aber keine Pflicht auf den Besuch eines Schulgebäudes. Nur eines muss man als Kind liefern: es gibt in den meisten Bundesstaaten staatliche Leistungstests. Wer diese besteht, kann zu Hause weitermachen. Gerade konservativ-christliche Familien machen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Ich selbst, als konservativer Christ, habe schon lange sehnsüchtig über den Atlantik geschaut und mir gewünscht, man dürfe das jetzt auch hier. Und plötzlich darf man!

Homeschooling von jetzt auf gleich

Mit Corona ist das nun endlich möglich. Das ganze Land ist sehr plötzlich in diese neue Schulsituation gestolpert. Manches ruckelt noch. Die Lehrer müssen sich in die neue Situation einfinden, und die Schüler auch. Die Probleme wurden in den Medien schon bis zur Ermüdung durchgekaut. Ich hingegen möchte dem die positiven Aspekte gegenüberstellen:

Digitalisierung

Seit Jahren predigt die Politik in Deutschland die Digitalisierung, und das zu Recht. Deutschland verdient international sein Geld durch Technik und durch Wissen. Die Schüler brauchen praktische Erfahrung mit dem Internet, mit eigener Recherche, mit verteilten Teams, mit Videokonferenzen. All das ist wichtig für die moderne Arbeitswelt.

Und jetzt hat Corona das neue Fach Digitalisierung in die Schulen gespült. Jahrelang haben Schulen (oft in Privatinitiative weniger engagierter Lehrer) Computerräume eingerichtet und diese ab und an benutzt. Plötzlich aber muss jeder einen Computer haben und damit umgehen lernen. Und sieh an: was vorher über Jahrzehnte nur schleppend voranging, ist jetzt innerhalb von wenigen Wochen möglich.

Das Gymnasium, auf das drei unserer vier Kinder gehen (der Junior ist noch auf der Grundschule), hat über die Osterferien mit Hilfe von schulserver.de ein Onlineangebot aufgestellt. Die Hausaufgaben gibt es digital. Die Erledigung der Aufträge wird von den Schülern online quittiert. Zum Teil werden die Aufgaben hochgeladen und von den Lehrern korrekturgelesen. Es ist ein neues Arbeiten, und es ist ein gutes Arbeiten.

Selbständigkeit

Dieses neue Arbeiten braucht eines: ein hohes Maß an Selbständigkeit. Das ist das zweite Schulfach, das in neuer Intensität auf dem Stundenplan steht. Auch darüber bin ich nicht traurig. Und ja, auch das ruckelt noch, aber auch das wird sich finden. Es mag sein, dass im Lernstoff das eine oder andere hinten überfällt, aber die Lektionen in Selbständigkeit, in Selbstorganisation, in Selbstmotivation, all das sind wertvolle Lektionen, die im Schulalltag meiner Meinung nach ein Stück zu kurz kamen. Der Gewinn aus diesen Lektionen wiegt alle schulischen Nachteile bei weitem und auf Dauer auf. Davon bin ich fest überzeugt.

Ein Wort an die Bedenkenträger

Ein paar kurze Antworten an häufigere „Gegenargumente“:

  • Es hat nicht jeder einen Rechner: dann möge man bitte welche organisieren, zur Not mit Solidarität in der Klassengemeinschaft. Meist reicht schon ein einfaches Handy.
  • Kein Internet? Auch das ist einfach zu beheben. Und im Ernst: wie soll man heutzutage, im Jahr 2020 anspruchsvoll lernen, wenn man zu Hause kein Internet hat?
  • Und ja, ggf. muss auch das Sozialamt mit ran an die Problemlösung. Dort wo es finanziell gar nicht geht, darf sich das Amt nicht vor seiner Verantwortung drücken.

Außergewöhnliche Zeiten brauchen außergewöhnliche Maßnahmen. Die Probleme beim Homeschooling kann man lösen.

Und warum das ganze?

Ganz einfach: Wir wollen das Virus unter Kontrolle bringen, wir wollen die Normalität zurück, aber diese Normalität kann man sich nicht einfach nehmen, nein, sie will und muss erarbeitet sein. Das Beschränken auf kleinere Gruppen als bisher ist ein wichtiger Schritt zur Eindämmung der Infektion.

Meine drei Großen haben demnächst zwei Tage die Woche einige Stunden Unterricht, umschichtig in Gruppen zu max. 9 Schülern. Auch das, kleine Klassen zu haben, ist schon immer ein Erfolgsrezept für guten Unterricht gewesen.

Mein Fazit

Ich möchte, dass wir Corona wieder loswerden. Aber die Schule, die kann gerne auch auf Dauer so bleiben, wie sie jetzt geworden ist.

Heiko Evermann im Mai 2020