Andreas Kalbitz in der JLO-Zeitung „Fritz“

Die „Junge Landsmannschaft Ostdeutschland“ ist eine rechtsradikale Organisation. Davon kann man sich leicht selbst überzeugen. Sie verlegt eine Zeitschrift namens „Fritz“. In der Ausgabe 2003/01 begegnet uns der (noch-)AfD-Politiker Andreas Kalbitz in zwei Artikeln als Autor.

Mir ist es wichtig, nicht einfach nur das zu glauben, was Medien über diese Zeitung schreiben. Ich mache mir gerne selbst ein Bild. Und so habe ich diese Ausgabe der Fritz im Internet Archive (archive.org) ausfindig gemacht. Die JLO unterhielt damals eine Webseite http://osten.da.ru/. Diese ist nicht mehr online, aber das Internet-Archiv hat im Laufe der Jahre davon Kopien gezogen. Die eigentlichen Seiten lagen dabei oft auf der Webseite heimatschutz.org.

Die Fritz 2003/01 findet sich hier. Online finden sich außerdem noch die Ausgaben 2003/02 und 03 sowie 2004/01. Danach wurde wieder auf Papier umgestellt. Andreas Kalbitz findet sich nur in der Ausgabe 2003/01. Er war auch nicht „der Autor“ dieses Hefts. (In der Medienberichterstattung klingt es manchmal so, als hätte er das ganze Heft verantwortet.) Er muss sich aber die Frage gefallen lassen, wie seine Artikel in das Heft gekommen sind.

Grundsätzliches über dieses Heft

Der damalige Bundesvorsitzende der JLO, Christian Schaar, begrüßt die Leser auf Seite 2 in einem Vorwort. Daraus:

Lange haben wir darüber gesprochen, lange haben wir sie erwartet – jetzt ist sie endlich Wirklichkeit geworden – die Netzausgabe des „Fritz“!

Wie so vieles sollte auch der „Fritz“ der Zukunft ein Gemeinschaftswerk möglichst vieler Mitglieder sein, und wir alle sind zur Mitarbeit aufgerufen. Ich fordere Euch deshalb auf, eigene Berichte , Artikel, Fotos, Satiren oder Gedichte – möglichst auch auf Datenträger – unter dem Stichwort „Redaktion Fritz“ an unsere untenstehende Anschrift zu senden. Die Fritzredaktion wird eine Auswahl der Eingänge dann in den kommenden Ausgaben veröffentlichen. Im voraus vielen Dank für Eure Unterstützung !

Das heißt: die Fritz war eine Zeitschrift von Mitgliedern für Mitglieder. Wenn ein Artikel mit Namen unterzeichnet ist, dann ist dies m.E. ein starkes Indiz dafür, dass der Autor selbst auch Mitglied der JLO war. Ich halte es eher unwahrscheinlich, dass hier organisationsfremden Personen ein Forum geboten wurde. Falls doch, so würde ich erwarten, dass hierauf ausdrücklich hingewiesen wurde.

Verschwörungstheorien über 9/11

Der zweite Artikel lässt sich kurz behandeln. Auf Seite 11 findet sich unter der Überschrift “ Der inszenierte Terrorismus – Auftakt zum Weltenbrand – Thierry Meyssan “ eine Buchbesprechung/Werbung für eine der vielen Verschwörungstheorien zu 9/11. Für den hier betrachtete Kontext der rechtsextremen „Bezüge“ von Kalbitz ist nur wichtig, dass er diesen Artikel für die damals schon rechtsextreme JLO geschrieben hat.

Der Umgang mit dem Ersten Weltkrieg

Der andere Artikel (Seite 10) befasst sich mit der Erinnerung an den Ersten Weltkrieg. Darin berichtet Kalbitz von seinem Besuch auf einem Soldatenfriedhof in Flandern. Dort fand er einen Brief einer englischen Schülergruppe und kontrastiert diesen mit der heutigen Haltung Deutschlands gegenüber dem ersten Weltkrieg. Rund ein Drittel des Textes und der inhaltliche Kern des Textes ist ein Zitat von Karl Höffkes, allerdings ohne Angabe, aus welchem Buch.

Höffkes wendet sich gegen die heute übliche Auffassung, Deutschland habe die deutsche Jugend dort im Krieg „verheizt“.

Die Einleitung des Zitats mit

„Karl Höffkes beschrieb diesen Opfergang der deutschen Jugend eindringlich:“

ohne eine weitere Erläuterung, wer Höffkes ist, setzt die Kenntnis des Autors voraus. Wer also ist Karl Höffkes? Ein guter Einstieg in die eigene Recherche ist die Wikipedia. Man findet bekannte Namen: die rechtsextreme „Gesellschaft für freie Publizistik“, drei rechtsextreme Verlage, Zusammenarbeit mit Werner Georg Haverbeck, David Irving. Die Kenntnis Höffkes kann man sicherlich nur im rechtsextremen Milieu voraussetzen. Mir war der Name bis Dato kein Begriff. ,

Im Zitat lautet der letzte Teil so:

„Am Bodensatz der Verlogenheit sind wir dann bei “Freiheitskämpfern“ und „Verheizten“ angelangt (…) Als sie in Langemarck
aus der Deckung heraustraten und sich nach vorne warfen, taten sie
dies nicht gegen die Engländer auf der anderen Seite und nicht in
Geringschätzung ihres eigenen Lebens. Sie starben, weil sie so leben wollten: Ohne die Deckung, ohne den Zwang. Sie wollten sich nicht in den Gräben ducken, sie wollten aufrecht gehen und ihre Lieder von der Freiheit singen. (…) Ein kleines Sterben nur, angesichts des
tödlichen Infernos… Aber doch ein großes in seiner Moral. Auch ein
Aufruf an alle Zeiten danach? Duckt euch nicht! Der Weg zur Freiheit führt aufrecht!“ (Kürzungen des Zitats schon im Artikel von Kalbitz)

Diese Art von Umgang mit dem Ersten Weltkrieg halte ich für unsere Zeit in der Tat für deplatziert. Die Kriegsbegeisterung in Deutschland zu Beginn des Ersten Weltkriegs kann für unsere Zeit kein Vorbild sein. Eine Kamikazehaltung von jungen Soldaten im Ersten Weltkrieg ist es erst recht nicht.

Auf das Zitat folgt eine eigene Bewertung durch Kalbitz:

Ein Fanal für Veränderung und des Aufbruches – folgt man der Prämisse, daß „nur tot ist, wer vergessen wird“, so ist die posthume Exekution dieser Söhne Deutschlands in flämischer Erde nach über 80 Jahren gelungen durch den Bewußtseinsethnozid in den Köpfen der bundesrepublikanischen Jugend. Da wundert es kaum, daß sich kein Eintrag im Besucherbuch einer deutschen Schulklasse findet – welcher Alt-68er besucht mit seiner Schulklasse auch Stätten des Sterbens die einen anderen Charakter als Konzentrationslager haben? Die Verständnisimplantation von 12 Jahren als 99% deutscher Geschichte beantwortet auch die Frage nach der vielbeschworenen Gleichheit der Toten.

Auch diese Formulierung, besonders der „Bewusstseinsethnozid“ ist grob unangemessen.

Natürlich ist deutsche Geschichte mehr als die Jahre 1933-1945. Die Zeit, in der man freudestrahlend in den Krieg zieht, wünsche ich mir allerdings nicht zurück.

Offene Fragen aus den Fritz-Artikeln

Mit diesen beiden Artikeln ist man in der 10 Jahre später gegründeten AfD sicher nicht richtig aufgehoben. Besonderes Gewicht hat dabei, für wen Kalbitz hier schreibt: für ein rechtsextremes Blatt eines rechtsextremen Vereins.

  • Wie seine beiden Artikel ihren Weg in diese Zeitung gefunden haben, wurde meines Wissens nach nie aufgeklärt.
  • Ich frage mich auch, wieso er Karl Höffkes zitiert und ihn offenbar als bekannt voraussetzt. An anderer Stelle hat er diesem Buch zufolge auf einer AfD-Veranstaltung aus einem Buch Höffkes zitiert, ohne darauf hinzuweisen.