Corona und die Unverletzlichkeit der Wohnung


Ein Faktencheck zum „Ermächtigungsgesetz“ vom 18.11.2020.

Der Bundestag hat es tatsächlich getan: er hat am 18.11.2020 das Infektionsschutzgesetz geändert.

Darüber bin ich diese Tage mit einem Freund aneinandergeraten. Er war rundweg empört. Ja wie kann der Bundestag nur die Grundrechte außer Kraft setzen? Und er verwies mich auf eine 44 Seite lange PDF mit der Gesetzesvorlage. Insbesondere auf den

„Artikel 7 Einschränkung von Grundrechten“

„Durch Artikel 1 Nummer 16 und 17 werden die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.“

Ja, was fällt dem Staat da eigentlich ein? Meine Wohnung, die geht den Staat rein gar nichts an. Meine Wohnung ist unverletzlich, das garantiert mir die Verfassung.

„my home is my castle“

Hier wird die Verfassung, hier werden die Grundrechte außer Kraft gesetzt. Das steht ja sogar im Gesetz!!!

Doch halt. Ist das wirklich der Fall?

Lasst uns einen Schritt zurücktreten und nachforschen. Wir werden sehen, an der Unverletzlichkeit der Wohnung hat sich am 18.11.2020 überhaupt nichts geändert.

Fangen wir beim Grundgesetz an:

Art 13 GG

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

Genau. Die Wohnung ist unverletzlich. My home, my castle. Doch lesen wir weiter:

Art 13 Abs. 7 GG
(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

Also das passt gerade gar nicht ins Konzept. Die eigene Wohnung ist nicht immer unverletzlich. Zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur Bekämpfung von Seuchen gibt es von dieser Unverletzlichkeit Ausnahmen. Das Grundgesetz sieht also vor, dass die Unverletzlichkeit der Wohnung nicht uneingeschränkt gilt. Meine Grundrechte enden nämlich da, wo sie die Grundrechte anderer verletzen.

Und deshalb haben mehrere Grundrechtsartikel im Grundgesetz einen Vorbehalt. Sie können eingeschränkt werden, aber nur auf Grund eines Gesetzes. Eingeschränkt sind z.B.

  • die Versammlungsfreiheit unter freiem Himmel (8 GG),
  • das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art 10 GG),
  • die Freizügigkeit, also die Wahl des Wohn- und Aufenthaltsorts (Art 11 GG),
  • die Berufsausübung (Art 12GG),
  • die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art 13 GG) und
  • das Eigentum (Art 14 GG)

Das Grundgesetz regelt selbst, wie dazu das Verfahren aussieht.

Art 19 GG

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

Damit ist schon einmal erklärt, warum das Änderungsgesetz vom 18.11.2020 die Einschränkung von Grundrechten ausdrücklich feststellt. Es ist dazu schlichtweg verpflichtet, andernfalls wären diese Einschränkungen gar nicht rechtswirksam. Die eingeschränkten Artikel müssen ausdrücklich genannt werden.

Die bisherige Rechtslage

Bevor wir zum (angeblichen) „Ermächtigungsgesetz“ vom 18.11.2020 kommen, sollten wir uns den alten, den vorherigen Stand des Infektionsschutzgesetzes anschauen. Wir sollten uns auch einmal Corona wegdenken, auch wenn das im Herbst 2020 nicht so einfach ist, und wir sollten stattdessen einfach mal an Tuberkulose denken. Tuberkulose ist hässlich. In vielen Ländern dieser Erde gibt es damit erhebliche Probleme. In Deutschland ist die Lage einigermaßen im Griff. Wir haben auch Medikamente, die einigermaßen wirken. Ziel ist es aber, dass sich die Menschen gar nicht erst anstecken. Deshalb forschen die Gesundheitsämter konsequent nach. Im Falle von TBC-Ausbrüchen wird ermittelt, wird die Behandlung empfohlen und soweit Ansteckungsgefahr noch gegeben ist, wird auch Isolation angeordnet.

Und anschließend schauen wir uns die Änderungen vom 18.11.2020 an und fragen uns, was an Grundrechtsbeschneidungen, speziell im Bereich der Unverletzlichkeit Wohnung dazugekommen ist.

Was also dürfen die Behörden? Was dürfen insbesondere die Gesundheitsämter? Was durften sie vor der „Ermächtigung“ schon?

Die aktuelle Fassung des Gesetzes (noch ohne die Änderungen vom 18.11.2020) habe ich hier archiviert: https://archive.is/7znpC

§16 Allgemeine Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten

Aus Abs. (1)

Werden Tatsachen festgestellt, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, oder ist anzunehmen, dass solche Tatsachen vorliegen, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren.

Aus Abs. (2)

(2) In den Fällen des Absatzes 1 sind die Beauftragten der zuständigen Behörde und des Gesundheitsamtes zur Durchführung von Ermittlungen und zur Überwachung der angeordneten Maßnahmen berechtigt, Grundstücke, Räume, Anlagen und Einrichtungen sowie Verkehrsmittel aller Art zu betreten und Bücher oder sonstige Unterlagen einzusehen und hieraus Abschriften, Ablichtungen oder Auszüge anzufertigen sowie sonstige Gegenstände zu untersuchen oder Proben zur Untersuchung zu fordern oder zu entnehmen. Der Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist verpflichtet, den Beauftragten der zuständigen Behörde und des Gesundheitsamtes Grundstücke, Räume, Anlagen, Einrichtungen und Verkehrsmittel sowie sonstige Gegenstände zugänglich zu machen. Personen, die über die in Absatz 1 genannten Tatsachen Auskunft geben können, sind verpflichtet, auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte insbesondere über den Betrieb und den Betriebsablauf einschließlich dessen Kontrolle zu erteilen und Unterlagen einschließlich dem tatsächlichen Stand entsprechende technische Pläne vorzulegen.

Aus Absatz 3:

(3) Soweit es die Aufklärung der epidemischen Lage erfordert, kann die zuständige Behörde Anordnungen über die Übergabe von in Absatz 2 genannten Untersuchungsmaterialien zum Zwecke der Untersuchung und Verwahrung an Institute des öffentlichen Gesundheitsdienstes oder andere vom Land zu bestimmende Einrichtungen treffen.

Und Bingo:

(4) Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) wird im Rahmen der Absätze 2 und 3 eingeschränkt.

Was heißt das? Das heißt: wenn das Gesundheitsamt es für erforderlich hält, dann hat es Zutritt zu allen Grundstücken und Gebäuden, egal ob privat oder Geschäftlich. Es hat Zugang zu allen Büchern, Akten, es darf (denk an CSI Miami) Proben nehmen und es darf Fragen stellen. Bei Bedarf sind auch Baupläne vorzulegen.

Was für Maßnahmen darf das Gesundheitsamt treffen?

§ 17 Besondere Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten, Verordnungsermächtigung

Absatz 1:

(1) Wenn Gegenstände mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet sind oder wenn das anzunehmen ist und dadurch eine Verbreitung der Krankheit zu befürchten ist, hat die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der hierdurch drohenden Gefahren zu treffen. Wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, kann die Vernichtung von Gegenständen angeordnet werden. Sie kann auch angeordnet werden, wenn andere Maßnahmen im Verhältnis zum Wert der Gegenstände zu kostspielig sind, es sei denn, dass derjenige, der ein Recht an diesem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, widerspricht und auch die höheren Kosten übernimmt. Müssen Gegenstände entseucht (desinfiziert), von Gesundheitsschädlingen befreit oder vernichtet werden, so kann ihre Benutzung und die Benutzung der Räume und Grundstücke, in denen oder auf denen sie sich befinden, untersagt werden, bis die Maßnahme durchgeführt ist.

Also: Das Gesundheitsamt darf sich um kontaminierte Gegenstände kümmern. Es darf sie, wenn es gar nicht anders geht, auch vernichten. Ja, das Gesundheitsamt darf Dein Eigentum vernichten.

Mal angenommen, ein Gegenstand ließe sich im Prinzip dekontaminieren, es wäre aber nicht wirtschaftlich, dann kannst du diesen Gegenstand retten, wenn eine fachgerechte Dekontaminierung selbst bezahlst.

Absatz 2

(2) Wenn Gesundheitsschädlinge festgestellt werden und die Gefahr begründet ist, dass durch sie Krankheitserreger verbreitet werden, so hat die zuständige Behörde die zu ihrer Bekämpfung erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Die Bekämpfung umfasst Maßnahmen gegen das Auftreten, die Vermehrung und Verbreitung sowie zur Vernichtung von Gesundheitsschädlingen.

Also: wenn sich Krankheitserreger in deinem Haus befinden (stellen wir uns Rattenbefall vor), dann kann die Behörde anordnen, dass du dich darum kümmerst, auch wenn du selbst meinst, jede Ratte hat ein Recht auf Leben.

Absatz 3

(3) Erfordert die Durchführung einer Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 besondere Sachkunde, so kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Verpflichtete damit geeignete Fachkräfte beauftragt. Die zuständige Behörde kann selbst geeignete Fachkräfte mit der Durchführung beauftragen, wenn das zur wirksamen Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten oder Krankheitserreger oder der Gesundheitsschädlinge notwendig ist und der Verpflichtete diese Maßnahme nicht durchführen kann oder einer Anordnung nach Satz 1 nicht nachkommt oder nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen ist, dass er einer Anordnung nach Satz 1 nicht rechtzeitig nachkommen wird. Wer ein Recht an dem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, muss die Durchführung der Maßnahme dulden.

Also: im Prinzip darfst du selbst die Gefahren beseitigen. Dein Haus, deine Verantwortung, deine Ratten. Wenn du das aber nicht tust, oder nicht fachgerecht kannst, dann kann das Gesundheitsamt den Schädlingsbekämpfer notfalls auch selbst bestellen.

§ 25 Ermittlungen

Das Gesundheitsamt darf ermitteln, speziell hinsichtlich ansteckender Krankheiten (wir denken wieder an Tuberkulose und mal nicht an Corona):

Absatz 1

Ergibt sich oder ist anzunehmen, dass jemand krank, krankheitsverdächtig, ansteckungsverdächtig oder Ausscheider ist oder dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so stellt das Gesundheitsamt die erforderlichen Ermittlungen an, insbesondere über Art, Ursache, Ansteckungsquelle und Ausbreitung der Krankheit.

Hier ist wichtig. Jemand kann krank sein. Jemand kann aber auch „nur Ausscheider“ sein, als ansteckend sein, ohne dass diese Person sich krank fühlt. Auch dann darf das Amt einschreiten.

Absatz 2

(2) Für die Durchführung der Ermittlungen nach Absatz 1 gilt § 16 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2, 3, 5 und 8 entsprechend.

Statt die Maßnahmen alle erneut durchzudeklinieren, wird einfach gesagt: in diesem Fall gilt dasselbe wie in §16. Diese Maßnahmen hatten wir oben schon gesehen: Zugang zum Grundstück, zu allen Gebäuden, zu allen Unterlagen etc. Nachforschen.

Weiter:

„Das Gesundheitsamt kann eine im Rahmen der Ermittlungen im Hinblick auf eine bedrohliche übertragbare Krankheit erforderliche Befragung in Bezug auf die Art, Ursache, Ansteckungsquelle und Ausbreitung der Krankheit unmittelbar an eine dritte Person, insbesondere an den behandelnden Arzt, richten, wenn eine Mitwirkung der betroffenen Person oder der nach § 16 Absatz 5 verpflichteten Person nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist; die dritte Person ist in entsprechender Anwendung von § 16 Absatz 2 Satz 3 und 4 zur Auskunft verpflichtet.“

Das heißt: wenn du nicht mitmachst, darf das Amt Deinen Arzt fragen. Und auch wenn der Arzt ansonsten der Schweigepflicht unterliegt: dem Gesundheitsamt muss er antworten. Im öffentlichen Interesse.

Und es geht noch weiter:

(3) Die in Absatz 1 genannten Personen können durch das Gesundheitsamt vorgeladen werden. Sie können durch das Gesundheitsamt verpflichtet werden,

1. Untersuchungen und Entnahmen von Untersuchungsmaterial an sich vornehmen zu lassen, insbesondere die erforderlichen äußerlichen Untersuchungen, Röntgenuntersuchungen, Tuberkulintestungen, Blutentnahmen und Abstriche von Haut und Schleimhäuten durch die Beauftragten des Gesundheitsamtes zu dulden, sowie

2. das erforderliche Untersuchungsmaterial auf Verlangen bereitzustellen.

Oha. Das Gesundheitsamt darf dich untersuchen und es hat auch das Recht, Proben zu nehmen. Auch dann, wenn du nur Ausscheider sein solltest und dich gar nicht krank fühlst.

Die Grenze ist erst hier:

„Darüber hinausgehende invasive Eingriffe sowie Eingriffe, die eine Betäubung erfordern, dürfen nur mit Einwilligung des Betroffenen vorgenommen werden“

Hier wird deshalb in Absatz 5 nicht nur die Unverletzlichkeit der Wohnung, sondern gleich noch die körperliche Unversehrtheit eingeschränkt. Das Amt hat, sofern zur Aufklärung der Sachlage erforderlich, ein Recht auf eine Blutprobe von dir.

Kommen wir nun im Einzelnen zu den Maßnahmen, die ergriffen werden dürfen:

§ 28 Schutzmaßnahmen

Absatz 1

(1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist;

Zu §§29 bis 31 kommen wir gleich. Weiter:

sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.“

Also: das Amt kann anordnen, dass du zu Hause bleibst. Es kann auch anordnen, wenn du auf Reisen bist, dass du im Hotel bleibst und nicht durch die halbe Republik nach Hause fährst. Es kann bestimmen, dass du bestimmte Orte nicht betrittst.

Was Menschenmassen angeht heißt es weiter:

„Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen.“

Was das Amt aber nicht darf:

„Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden.“

Du hast ein Recht darauf, deine ansteckende Krankheit zu behalten. Die Allgemeinheit hat dann aber auch das Recht, dass Du dieses Recht nur zu Hause ausübst, und zwar allein. Your home, your castle.

§ 29 Beobachtung

Mal angenommen, du leidest an einer ansteckenden Krankheit. Halt. Mal angenommen, du hast eine ansteckende Krankheit, egal ob du nun daran leidest, oder nicht:

Das Amt hat ein Recht darauf, auf Dich ein besonderes Auge zu werfen:

(1) Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider können einer Beobachtung unterworfen werden.

Und das Amt hat ein Recht auf Deine Mitwirkung.

(2) Wer einer Beobachtung nach Absatz 1 unterworfen ist, hat die erforderlichen Untersuchungen durch die Beauftragten des Gesundheitsamtes zu dulden und den Anordnungen des Gesundheitsamtes Folge zu leisten. § 25 Absatz 3 gilt entsprechend. Eine Person nach Satz 1 ist ferner verpflichtet, den Beauftragten des Gesundheitsamtes zum Zwecke der Befragung oder der Untersuchung den Zutritt zu seiner Wohnung zu gestatten, auf Verlangen ihnen über alle seinen Gesundheitszustand betreffenden Umstände Auskunft zu geben und im Falle des Wechsels der Hauptwohnung oder des gewöhnlichen Aufenthaltes unverzüglich dem bisher zuständigen Gesundheitsamt Anzeige zu erstatten.

Das Amt hat also insbesondere Zutritt zu deiner Wohnung.

§ 30 Absonderung

Hier kommen wir zum Bereich der Quarantäne. Besonders genannt sind Lungenpest sowie hämorrhagisches Fieber (denke an Ebola). Der folgende Abschnitt gilt aber ausdrücklich auch für alle anderen ansteckenden Krankheiten:

(1) Die zuständige Behörde hat anzuordnen, dass Personen, die an Lungenpest oder an von Mensch zu Mensch übertragbarem hämorrhagischem Fieber erkrankt oder dessen verdächtig sind, unverzüglich in einem Krankenhaus oder einer für diese Krankheiten geeigneten Einrichtung abgesondert werden. Bei sonstigen Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern kann angeordnet werden, dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen, befolgen können oder befolgen würden und dadurch ihre Umgebung gefährden.

Mit anderen Worten: im Regelfall reicht eine Quarantäne zu Hause aus, außer du hast Ebola. Wenn du aber nicht mitmachst, und die Schutzmaßnahmen nicht einhältst, dann darf der Staat durchgreifen. Denn auch die anderen Menschen haben Grundrechte, z.B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Konkret heißt das:

(2) Kommt der Betroffene den seine Absonderung betreffenden Anordnungen nicht nach oder ist nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen, dass er solchen Anordnungen nicht ausreichend Folge leisten wird, so ist er zwangsweise durch Unterbringung in einem abgeschlossenen Krankenhaus oder einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses abzusondern. Ansteckungsverdächtige und Ausscheider können auch in einer anderen geeigneten abgeschlossenen Einrichtung abgesondert werden.

Also: wenn du mitmachst, und dich kooperativ verhältst, kannst du die Quarantäne zu Hause machen, aber wenn nicht, dann kann das Amt dich auch in einem geschlossenen Krankenhaus festsetzen. Zum Schutz der Allgemeinheit.

Was hat sich am 18.11.2020 geändert?

Wir kehren jetzt von der Tuberkulose aus 2019 zurück in die Gegenwart, zurück zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom 18.11.2020.

Wir schauen in der Drucksache 19/23499 also nach Änderungen im Infektionsschutzgesetz in den Paragraphen

  • „§ 17 Besondere Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten, Verordnungsermächtigung“
  • § 25 Ermittlungen
  • § 28 Schutzmaßnahmen
  • § 29 Beobachtung
  • § 30 Absonderung

und nach weiteren Regelungen, die dein home, dein Castle betreffen.

Geändert wird der §28 Schutzmaßnahmen:

Aus

„so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist;“

wird

„so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Absatz 1, den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist;“

Neu ist hier der §28a. Dieser erlaubt es den Behörden Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen zu verhängen, öffentliche Einrichtungen, Restaurants, Sportstätten etc., zu schließen, Maskenpflicht anzuordnen, all das, was seit Frühjahr unter „Lockdown“ diskutiert und beschlossen wurde. Diese Maßnahmen bekommen dadurch eine gesetzliche Grundlage. Diese gesetzliche Grundlage wurde ja von einigen Gerichten angemahnt, die über Coronabeschränkungen zu befinden hatten.

Von daher könnte man eigentlich froh sein, dass der Staat hier seine Hausaufgaben gemacht hat, und definiert hat, was unter Umständen (die wir leider derzeit haben) alles getan werden darf, um Corona zu stoppen.

Besonders herausstellen möchte ich den letzten Satz von §28a:

„Die Anordnung der Schutzmaßnahmen muss ihrerseits verhältnismäßig sein.“

Die Frage, ob bestimmte einzelne Maßnahmen verhältnismäßig sind, ob also z.B. die Schließung von Restaurants angemessen sind, obwohl die Gastronomie seit Monaten Hygienekonzepten erstellt und angewendet hat, ist auf Basis von §28a also gerichtlich überprüfbar. Wo also ist das Problem?

Was bedeutet das für meine und für Deine Wohnung?

Es gibt in dem Maßnahmenkatalog vom 18.11.2020 nur einen Punkt, der sich mit Deiner Wohnung befasst:

„Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum“

Your home, your castle. Deine Wohnung bleibt deine Wohnung. Der Staat kann notfalls verfügen, dass du da bleibst (Quarantäne) und er kann verfügen, dass du da nur eingeschränkt Gäste empfängst.

Wichtig ist aber, und das möchte ich ausdrücklich herausstellen:

Der Staat hat am 18.11.2020 an der Unverletzlichkeit Deiner Wohnung nichts geändert. Alle Maßnahmen, die aus Sicht des Gesundheitsamts erforderlich sind, um Tuberkulose, Lungenpest, Ebola oder Corona zu stoppen, durfte es auch schon 17.11.2020 treffen. Dazu gehört insbesondere:

  • Zutritt zur Wohnung zum Zwecke der Aufklärung einer Infektion,
  • und zur Ermittlung von Kontakten,
  • zur Entnahme von Proben,
  • zum Verhängen von Quarantäne,
  • zur Kontrolle, ob die Quarantäne eingehalten wird
  • und zu Sanktionen bei Nichteinhalten der Quarantäne.

An all diesen Regeln hat das angebliche „Ermächtigungsgesetz“ vom 18.11.2020 rein gar nichts geändert. Das war schon vorher so. An diesen Einschränkungen der Grundrechte hat man sich viele Jahre lang nicht gestört. Sie sind ja auch vernünftig.

Über die Verhältnismäßigkeit einzelner aktueller Maßnahmen kann und darf man streiten, ggf. auch vor Gericht. Das Grundgesetz ist aber am 18.11.2020 nicht beerdigt worden. Von „Ermächtigungsgesetz“ ist hier keine Spur. Dieses Wort will ich im Zusammenhang mit Corona in der politischen Diskussion auch nicht mehr hören. Es verharmlost die Verbrechen der Nazizeit und es maßt sich für heute eine Opferrolle an, die den Coronakritikern nicht zusteht.

Was bleibt: deine Wohnung ist „your home, your castle“, solange du niemanden in Gefahr bringst.