Rechtsaußen ist abseits

Von politischen Grenzen

Die AfD ist das wichtigste politische Projekt dieses Jahrzehnts. Deutschland braucht eine Alternative zum politischen Mainstream, Deutschland braucht eine bürgerlich-konservative Partei. Wenn die AfD diese Partei sein will, dann braucht sie eine erkennbare Grenze nach rechts, denn bürgerlich-konservative Wähler tun eines nicht: sie wählen keine NPD light. Die AfD muss daher deutlich machen, dass sie nach rechts eine klar erkennbare rote Linie hat. Sie muss diese Grenze deutlich kommunizieren und sie muss Acht darauf geben, dass diese Grenze auch eingehalten wird.

Im Laufe der Jahre wurde diese rote Linie von einzelnen hochrangigen Parteimitgliedern verletzt. Diese Fälle haben ein hohes Maß an medialer Aufmerksamkeit bekommen. In diesen Fällen war und ist es wichtig, dass die AfD aufzeigt, wo die Grenze nach rechts verläuft, die innerhalb der AfD nicht übertreten werden darf.

Gerade in Zeiten, in denen der Verfassungsschutz sich auf die AfD eingeschossen hat, ist es wichtig, aufzuzeigen, wo die AfD in der Lage gewesen ist, sich von Rechtsaußenspielern zu trennen. Manch eine Diskussion auf Facebook hat mir gezeigt, dass diese Ausschlüsse nicht von allen Parteimitgliedern verstanden wurden. Es ist auch meine Hoffnung, dass dieser Artikel in der Meinungsbildung innerhalb der AfD weiterhilft, damit sich die AfD einen Ruck gibt, sich von weiteren Spielern zu trennen, die ebenfalls jenseits der roten Linie spielen.

Doris von Sayn-Wittgenstein

Die ehemalige Vorsitzende des AfD-Landesverbands Schleswig-Holstein, Doris von Sayn-Wittgenstein, wurde im August 2019 vom Bundesschiedsgericht der AfD ausgeschlossen. Der Weg hierhin war steinig. Das Landesschiedsgericht hatte sie zunächst freigesprochen. In Kenntnis der Vorwürfe und in Kenntnis des anhängigen Verfahrens vor dem Bundesschiedsgericht wurde sie vom Landesparteitag im Juni 2019 erneut zur Landesvorsitzenden gewählt.

Die Gründe für ihren Ausschluss waren

  • Werbung für einen rechtsradikalen Verein
  • mehrfache Grenzüberschreitungen nach rechts während des laufenden Verfahrens. So hielt sie z.B. eine mögliche Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz für eine politische Auszeichnung.

Eine umfassende Aufstellung des Ausschlussverfahrens und der Hintergründe findet sich in meiner Artikelreihe „Guthmannshausen – recht radikales Gedenken“.

Wolfgang Gedeon

Wolfgang Gedeon (Wikipedia), seit 2016 Abgeordneter des Landtags Baden-Württemberg, hat mit seinen antisemitischen Eskapaden die AfD vier (!) Jahre lang beschäftigt. Zwischendurch spaltete sich sogar die AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg.

Ein erstes Parteiausschlussverfahren wurde durch den dortigen Landesvorstand so lustlos und unprofessionell geführt, dass man meiner Meinung nach sagen kann, es wurde vorsätzlich sabotiert. („Der Antrag auf Parteiausschluss habe nur aus Zeitungsausschnitten und einzelnen Zitaten aus Gedeons Büchern bestanden. Eine inhaltliche Bewertung der Schriften und Aussagen Gedeons sei dabei nicht vorgenommen worden, so der AfD-Landessprecher.“)

Ein zweites Ausschussverfahren wurde dann vom Bundesvorstand initiiert. Nachdem das Landesschiedsgericht Baden-Württemberg sich für befangen erklärte, landete dieses Verfahren beim LSG Schleswig-Holstein. Dort wurde Gedeon unter der Leitung des Schiedsrichters Gereon Bollmann mit einer hanebüchenen Argumention freigesprochen. Bollmann blieb dabei seiner parteischädigenden Linie treu, dass ein Mitglied ohne strafbare Handlungen nicht ausgeschlossen werden könne.

Erst das Bundesschiedsgericht setzte im März 2020 diesem antisemitischen Spuk ein Ende und schloss Wolfgang Gedeon in letzter Instanz rechtsgültig aus.

Holger Arppe

Holger Arppe war einer von zwei Landesvorsitzenden der AfD Mecklenburg-Vorpommern. Die Wikipedia führt hierzu aus:

„Nachdem Journalisten rassistische, pädophile, gewaltpornografische und -verherrlichende Ausfälle Arppes anhand von Chatprotokollen aufgedeckt hatten, verließ er Ende August 2017 die Fraktion und wurde nach einem rechtskräftigen Urteil im September 2018 aus der Partei ausgeschlossen.“

Details dazu spare ich mir.

André Poggenburg

André Poggenburg (Wikipedia) war von 2014 bis 2018 Landesvorsitzender der AfD Sachsen-Anhalt und von 2016 bis 2018 Fraktionsvorsitzender der AfD im dortigen Landtag. Er war neben Höcke einer der prominentesten „Flügler“ und Mitautor von dessen Positionspapier, der „Erfurter Erklärung“.

Am 14.02.2018 hielt er eine Rede zum „politischen Aschermittwoch“, die auch unter Berücksichtigung des Bierzeltcharakters solcher Veranstaltungen jegliche Grenze sprengte. Die Türken in Deutschland bezeichnete er als „Kümmelhändler“, sie sollten „sich dahin scheren, wo sie hingehören, weit, weit, weit, hinter den Bosporus zu ihren Lehmhütten und Vielweibern. Hier haben sie nichts zu suchen und zu melden.“

Keine zwei Wochen später war er seinen Fraktionsvorsitz los (man beachte die Ladungsfristen für solche Abwahlen, zwei Wochen ist in so einem Fall ausgesprochen zügig). Poggenburg trat danach von seinem Landesvorsitz zurück. Einige Monate später trat er selbst aus der AfD aus.

Die AfD-Fraktion hat damals zeitnah und klar reagiert. Hut ab dafür. Es ist auch gut, dass die endgültige Trennung von Poggenburg durch ihn selbst erfolgt ist. Bei einem Parteiausschlussverfahren mit seinen beiden Instanzen könnte man sonst von einer Laufzeit von eineinhalb Jahren ausgehen.

Lars Steinke

Lars Steinke war seit 2016 Landesvorsitzender Niedersachsen der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“. Er erlangte im August 2018 deutschlandweite Bekanntheit für die auf Facebook verbreitete Aussage „Stauffenberg war ein Verräter“, der gescheiterte Anschlag auf Hitler sei „der beschämende Versuch eines Feiglings“ gewesen, „die eigene Haut vor dem kommenden Sieger zu retten“.

Für diese unehrenhafte und rechtsradikale These musste er die AfD verlassen. Das Landesschiedsgericht schloss ihn im Juni 2019 aus. Der Ausschluss wurde im November 2019 vom Bundesschiedsgericht bestätigt.

Dennis Augustin

Dennis Augustin (Wikipedia) war einer von zwei Landesvorsitzenden des AfD-Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern. Im Juni 2019 wurde bekannt, dass er in der Zeit vor seiner AfD-Mitgliedschaft an einem Ausbildungslager der NPD teilgenommen hatte, an dem nur Mitglieder der NPD oder deren Jugendorganisation teilnehmen konnten. Dies war aus Sicht der AfD Beleg für seine Mitgliedschaft in einer dieser beiden Organisationen. Beide stehen auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD. Augustin hätte dies bei seinem Beitritt zur AfD angeben müssen und wäre dann nicht aufgenommen wurde. Die AfD erklärte daher seinen Eintritt in die AfD für nichtig. Diese Form des Parteiausschlusses ist unmittelbar gültig. Ein Schiedsgerichtsverfahren dagegen läuft noch (Stand März 2020), hat aber keine aufschiebende Wirkung. Augustin ist derzeit kein Mitglied der AfD mehr.

Christian Lüth

Bis April 2020 war Lüth (Wikipedia) de Pressesprecher der AfD. Von diesem Posten wurde er freigestellt, als berichtet wurde, er habe sich selbst als Faschisten bezeichnet. Zu einer Kündigung kam es aber nicht. Im September 2020 wurde eine Pro7-Doku ausgestrahlt, nach der Lüth (sein Name wurde in der Doku selbst nicht genannt) in einem vermeintlich vertraulichen Gespräch mit der Rechtsaussteigerin Lisa Licentia darüber philosophierte, man könne Migranten später auch noch „erschießen oder vergasen“. Man fragt sich, wie so jemand so lange für die AfD tätig sein konnte. War dies das erste Mal, dass er aus dem Nähkästchen plauderte? Ein Skandal allererster Kajüte, bei dem man hoffen und beten darf, dass noch mehr beteiligte ihre Koffer packen. Von allen Skandalen, die die AfD bisher erschüttert haben, ist dies m.E. der schlimmste. Immerhin wurde dann schnell reagiert. Nachmittags, noch vor der Ausstrahlung der Doku, aber nach Bekanntwerden der Vorberichterstattung wurde Lüth fristlos entlassen. Seine Parteimitgliedschaft hatte sich offenbar schon vorher in Luft aufgelöst. Wann genau, ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln. Aber am Tag des Skandals war er schon kein Mitglied mehr.

Es sind Leute wie Lüth, die das Projekt AfD an den Rand des Scheiterns bringen. Leute wie Lüth dürfen in der AfD keinen Platz haben. Sie müssen von Bord. Und es wird Zeit, dass auch der letzte in der AfD versteht, dass es dazu keine Alternative dazu gibt.

Stefan Räpple

Stefan Räpple ist Landtagsabgeordneter Baden-Württemberg. Die Liste seiner Provokationen ist lang. Für Details verweise ich auf die Wikipedia. Die Krönung war ein Aufruf zum (ausdrücklich!) gewaltsamen Sturz der Bundesregierung. Am 29.09.2020 bestätigte das Bundesschiedsgericht der AfD den Rauswurf Räpples durch das Landesschiedsgericht. Seite Fraktion im Landtag Baden-Württemberg hatte ihn erst nach seinem Gewaltaufruf rausgeworfen. Viel zu spät, aber immerhin.

Schlusswort

Angesichts der Vorwürfe des Verfassungsschutzes gegenüber dem „Flügel“ in der AfD sind mir persönlich die hier aufgestellten Ausschlüsse und Rücktritte wichtig. Sie zeigen, dass die AfD in der Lage ist, sich von solchen Mitgliedern zu trennen die nach Rechtsaußen die Grenzen überschreiten. Es gibt aber einige Personen aus dem Flügel, die ich auch gerne noch auf dieser Liste sehen würde, weil auch diese die roten Linien nach rechts deutlich überschritten haben. Die Zukunft der AfD hängt auch mit davon ab, ob die AfD in der Lage ist, auch hier Trainer zu entlassen, die nicht das tun, wofür sie z.B. als Landesvorsitzende angestellt wurden.