Fördermitgliedschaft in Guthmannshausen

War Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein Mitglied im „Verein Gedächtnisstätte“?

Wer entscheidet eigentlich in dem „Verein Gedächtnisstätte? Und wie funktioniert das dort mit der Mitgliedschaft?

Einen ersten Hinweis gab es in dem Werbetext von Doris von Sayn-Wittgenstein vom Dezember 2014. Sie sagte dort:

Aufgrund der personellen Besetzung des Vereines ist nicht zu befürchten, daß sein Zweck unterlaufen wird, wie z.B. der der Vertreibungsstiftung in Berlin

Aber wie macht man das? Die FAZ löste dieses Rätsel am 24.02.2019 auf. In ihrer Sonntagsausgabe berichtete sie unter dem Titel „Unschuld vom Rande“:

Sie war oder ist nicht Mitglied, sondern Fördermitglied. Das bestätigte der Verein dieser Zeitung. Eine Vollmitgliedschaft bietet der Verein Außenstehenden gar nicht an, weil Vereinsmitglieder stimmberechtigt sind, Fördermitglieder hingegen bezahlen nur, der Beitrag liegt bei 60 EUR im Jahr.

Die Mitgliederstruktur von Guthmannshausen

Es gibt in diesem Verein also zwei Arten von Mitgliedern:

  • einen handverlesenen Kreis von stimmberechtigten Vollmitgliedern, auf deren Loyalität sich der Verein verlassen kann, so dass der Vereinszweck nicht „unterlaufen“ werden kann und
  • einen größeren Kreis von Fördermitgliedern.

Besonders demokratisch ist diese Konstruktion nicht. Aber sie erfüllt ihren Zweck.

Was bedeutet das für die Unvereinbarkeitsliste der AfD? Diese fragt nur nach Mitgliedschaft, nicht aber nach der Haarspalterei zwischen Mitgliedschaft mit bzw. Mitgliedschaft ohne Stimmrecht. Unvereinbar wäre beides.

Erzählt Wolfram Schiedewitz die Wahrheit?

Interessant ist nun die Rolle des Vereinsvorsitzenden Wolfram Schiedewitz. Dieser war im Parteiausschlussverfahren der AfD gegen Sayn-Wittgenstein vom Landesschiedsgericht der Partei als Zeuge geladen. (Eine Partei, deren politisches Überleben von einer glaubhaften Distanzierung vom Rechtsextremismus abhängt, lädt den Vorsitzenden eines rechtsradikalen Vereins als Zeuge ein. Ein unglaublicher Vorgang!).

Laut Urteil des Landesschiedsgerichts führte Schiedewitz aus:

Sie sei weder Mitglied in dem Verein und auch nicht Fördermitglied. Außerdem sehe sein Verein eine Fördermitgliedschaft nicht vor.

Wie das?

Auf den Vorhalt des Prozessvertreters des Antragstellers, aus dem Artikel eines Journalisten in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 24. Februar 2019 ergebe sich, dass der Verein diesem bestätigt habe, die Antragsgegnerin sei Fördermitglied, entgegnete der Zeuge W. S. [Wolfram Schiedewitz], der Journalist habe ihm dort eine Fangfrage gestellt, die er nicht beantwortet sondern offen gelassen habe. Mithin sei dies nicht seine Aussage, sondern die Interpretation des Journalisten.

Auf den weiteren Vorhalt, der Verein biete auf seiner Website sichtbar eine Fördermitgliedschaft an, entgegnete der Zeuge, dies sei so ohne seine Kenntnis geschehen und es sei insoweit anzumerken, dass die Website erst seit etwa einem dreiviertel Jahr bestehe und insoweit noch geändert werden müsse. Eine Fördermitgliedschaft der Antragsgegnerin gebe es nicht.

Das LSG kommentiert lapidar:

Auch diesem Zeugen glaubt die Kammer.

und hat den Parteiausschluss Sayn-Wittgensteins abgelehnt.

Die Beweise zum selbst nachprüfen

Diese Aussage ist abenteuerlich. Das vom AfD-Bundesvorstand präsentierte Mitgliedsformular findet sich noch heute (Juni 2019) auf der Webseite des Vereins Gedächtnisstätte. Die Kontaktseite verlinkt auf die PDF-Datei mit der Beitrittserklärung.

Wichtig an diesem Formuar ist eines:

Wolfram Schiedewitz ist auf diesem Formular ausdrücklich genannt. Seine Unterschrift ist erforderlich, wenn dieser Antrag angenommen werden soll.

Was ist nun von seinem Einwand zu halten, dies wäre der neuen Webseite geschuldet, also quasi der Alleingang des Webmasters?

Dieser Einwand ist einfach zu entkräften: der Verein hat zum 25-jährigen Bestehen des Vereins im August 2017 eine Broschüre herausgegeben. Nach einem mehrseitigen Vorwort der immer nett lächelnden Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck kommt Wolfram Schiedewitz über rund 50 Seiten zu Wort und führt den „langen Weg bis Guthmannshausen in Thüringen“ aus. Auf der letzten Seite dieses Abschnitts (Seite 66) findet sich

  • das Spendenkonto
  • der fettgedruckte Hinweis „Fördermitgliedschaft: €60.- / Jahr
  • ein Mitgliedsantrag.

Diese Version des Mitgliedsantrags ist textuell noch deutlicher.

Es heißt dort ausdrücklich:

Mir ist bewusst, daß es sich um eine idelle Mitgliedschaft ohne Stimmrecht in der Mitgliederversammlung handelt.

Auch hier ist wieder ein Feld für die Unterschrift des genehmigenden Vereinsvorstands vorgesehen. Auch hier steht Wolfram Schiedewitz auf dem Formular.

Wolfram Schiedewitz steht auch als Autor der Broschüre auf dem Titelblatt.

Die FAZ legt nach

Übrigens hat auch die FAZ nachgelegt. Die Behauptung, sie habe Schiedewitz die Ausführungen zur Fördermitgliedschaft nur untergeschoben, wollte sie nicht auf sich sitzen lassen.
Justus Bender stellte am 19.05.2019 unter dem Titel „Zeuge der Fangfrage“ klar (Hervorhebung von mir)

Tatsächlich war Schiedewitz von dieser Zeitung nie gefragt worden, ob Sayn-Wittgenstein Fördermitglied sei. Es gab keine Frage, also auch keine Fangfrage, also auch keine offengelassene Antwort und keine Interpretation. Die Auskunft über die Fördermitgliedschaft stammte von Susanne Mießner, die als Pressesprecherin des Vereins auftritt. Mießner erläuterte nicht nur das Prinzip der Fördermitglieder, sondern beantwortete die Frage, ob Sayn-Wittgenstein Fördermitglied sei, mit Ja. So war auch eine schriftliche Auskunft des Vereins an den AfD-Bundesvorstand erklärbar, laut der Sayn-Wittgenstein nie „Mitglied“ gewesen sei. Eine Haarspalterei war möglich: Ein Fördermitglied ist kein Mitglied im vollwertigen Sinne, weil es kein Stimmrecht hat.

Also: der Verein Gedächtnisstätte hat die Fördermitgliedschaft Sayn-Wittgensteins der Zeitung gegenüber bestätigt.

Fazit

Erstens: Anhand der Unterlagen, die der Verein Gedächtnisstätte selbst veröffentlicht hat, hat Wolfram Schiedewitz die Unwahrheit gesagt: der Verein kennt die Konstruktion der Fördermitgliedschaft. Er selbst ist derjehnige, der diese Fördermitgliedschaften genehmigt. Sein Name steht auf den Beitrittsanträgen.

Zweitens: der Presse zufolge war Doris von Sayn-Wittgenstein Fördermitglied in Guthmannshausen. Ihre Mitgliedschaft in der AfD hat sie demnach zu Unrecht. Es wäre die Aufgabe des Landesschiedsgerichts gewesen, eben das festzustellen und den Parteiausschluss Sayn-Wittgensteins zu beschließen.

Politik braucht den Mut, das zu tun, was richtig ist.