Mein Austritt aus der AfD

Am 13.10.2021 habe ich meinen Austritt aus der AfD erklärt. Eingetreten war ich im April 2016. Damit finden fünfeinhalb Jahre Engagement in der AfD für mich ein Ende. Viereinhalb Jahre davon, seit Frühjahr 2017 war ich Kreisvorsitzender im Kreisverband Segeberg. Seit Mai 2018 war ich Mitglied des Kreistags Segeberg und war dort Fraktionsvorsitzender.

In dieser Zeit hat sich die AfD stark verändert. Kennengelernt hatte ich sie im Kreisverband Segeberg als eine bürgerliche, konservative Partei. Ich möchte hier besonders den damaligen Kreisvorsitzenden Jörg Nobis nennen, der bald darauf Landesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender wurde.

Im Laufe der Jahre schickte sich dann “der Flügel” an, die Partei mehr und mehr zu dominieren. Mit geschicktem Netzwerken, noch mehr aber mit fortgesetztem Mobbing und vorsätzlichen Grenzüberschreitungen machte er sich daran, wie ein Kuckuck die Bürgerlichen aus der Partei zu werfen. Der parteiinterne Begriff dazu geht auf Björn Höcke zurück: “Ausschwitzen”. 

Zum Landesverband Schleswig-Holstein

In meinem eigenen Landesverband, in Schleswig-Holstein, übernahm der Flügel schon im Sommer 2017 die Macht, als Doris von Sayn-Wittgenstein Landesvorsitzende wurde. Die Arbeit der gerade im Mai 2017 gewählten Landtagsfraktion wurde nach Strich und Faden boykottiert. Die Fraktion wurde innerhalb der Partei ins Abseits gestellt. Gleichzeitig griff sie auf dem Bundesparteitag im Dezember 2017 unmittelbar nach dem Parteivorsitz, hierzu fehlte ihr nur eine einzige Stimme. 

Im November 2018 wurde dann ihre Werbung für einen rechtsradikalen Verein öffentlich. Weite Teile des Landesverbands Schleswig-Holstein hielten ihr dennoch die Treue. Sie wurde sogar nach einer Kampfabstimmung um den Landesvorsitz wiedergewählt. 

Die Lage für die Bürgerlichen im LV Schleswig-Holstein war die vergangenen vier Jahre schwierig. Ich habe in dieser Zeit weiter der Partei die Treue gehalten, weil wir mit Jörg Meuthen einen Bundesvorsitzenden hatten, der für mich ein Garant einer bürgerlichen Mehrheit auf Bundesebene war. Auch die Bundesvorstandswahl 2019 führte zu einem mehrheitlich moderaten Bundesvorstand.

Mit dem Rückzug Meuthens von der Parteispitze hat sich die Situation nun grundlegend gewandelt. Es ist deutlich, dass auch auf Bundesebene ohne den Flügel nichts geht. 

Zur Geschlossenheit

Das Handlungsmuster war die letzten Jahre immer wieder dasselbe. Auf Grenzüberschreitungen des Flügels (z.B. Höckes Schandrede zum Holocaustmahnmal in Berlin, die rechtsextremen Kontakte von Doris von Sayn-Wittgenstein zur “Gedächtnisstätte” in Guthmannshausen, die rechtsextremen Zeltlager eines Andreas Kalbitz, die Chats von Matthias Helferich) führten zu öffentlicher Kritik an der AfD. Auch die Bürgerlichen sahen die Grenzen der Partei verletzt. Der Flügel forderte dann “Geschlossenheit”, also die Wagenburg, Mundhalten, der Flügel wäre von allen zu verteidigen. Der Flügel selbst nahm sich aber das Recht heraus, gegenüber den Moderaten wiederholt kräftig auszuteilen. 

Geschlossenheit war für den Flügel stets eine Einbahnstraße. Disziplin in öffentlichen und privaten Äußerungen war nicht wichtig. Äußerungen, welche die AfD zum Freiwild für die Beobachtung des Verfassungsschutzes machen, wurden nicht gemieden. Es wurde zunehmend dem Verfassungsschutz überhaupt die Legitimation abgesprochen. Eine etwaige Beobachtung durch den Verfassungsschutz wurde stattdessen sogar als Auszeichnung bezeichnet. 

Ich bin nicht mehr bereit, diesen Weg mitzugehen.

Auf den Wahlkampfständen zur Bundestagswahl habe ich wiederholt von Bürgern gehört, sie wären ja im Prinzip bei uns, sie würden uns wählen, wenn, ja wenn sich die AfD von den Rechtsextremen trennen würde. Ich habe aber keine Bürger gesprochen, die mir sagten, man würde ja im Prinzip gerne die AfD wählen, wenn, ja wenn die Partei denn nicht so zerstritten wäre und wenn die Moderaten in der AfD endlich gegenüber dem Flügel den Mund halten würden.

Zwei Parteien unter einer Marke

Unter dem Dach der AfD finden sich im Grunde zwei Parteien, die miteinander nicht können. Das eine sind diejenigen, die eine bürgerliche, eine liberal-konservative Partei sein wollen. Das andere sind diejenigen, die sich eine vorrangig nationale Partei mit sozialistischem Einschlag (“Sozialpatriotismus”) wünschen. Dies geht zunehmend weniger zusammen.

Ich selbst stehe für bürgerliche, konservative, christlich geprägte Politik und betrachte die zunehmende Dominanz des Flügels schon lange mit großer Sorge.

Zur politischen Lage

Die AfD hat ihre politischen Chancen, mit denen sie 2013 angetreten ist, mittlerweile verspielt. Die Marke AfD ist verbrannt. Bei keiner anderen Partei sind sich in Meinungsumfragen so viele Menschen sicher, dass sie die AfD unter gar keinen Umständen wählen würden. Diese Statistiken sind in der AfD allgemein bekannt. Die Antwort des Flügels darauf ist die Forderung, noch lauter aufzutreten.

Selbst da, wo die AfD 25% auf Landesebene hat, ist sie politisch einflusslos. Sie müsste schon die absolute Mehrheit der Mandate gewinnen, um irgendwo regieren zu können. Thüringen hat deutlich gemacht, dass im Bedarfsfalle alle anderen Parteien von CDU bis zur Linkspartei eine Koalitionsregierung eingehen würden, nur um die AfD von politischer Gestaltung auszuschließen. 

Diese Situation hat die AfD durch permanente Grenzüberschreitungen selbst herbeigeführt. Wie ich vielen Diskussionen innerhalb der Partei entnehme, ist man auf diese Grenzüberschreitungen dennoch stolz.

Der Machtkampf in der AfD ist entschieden

Mit dem Rückzug Meuthens ist meiner Meinung nach der Machtkampf zugunsten des Flügels entschieden. Ich nehme dies mit Bedauern zur Kenntnis. Ich selbst stehe für die Rolle eines bürgerlichen Feigenblatts einer Flügel-AfD aber nicht zur Verfügung. 

Zum Kreistag Segeberg

Ich habe mit dem heutigen Tag auch meinen Austritt aus der AfD-Fraktion im Kreistag erklärt. Auch mein Kreistagsmandat habe ich im Oktober 2021 niedergelegt.