Sonneberg – SPD meint: gewählt ist noch lange nicht gewählt

Merksatz: Wenn Demokraten ein demokratisches Wahlergebnis nicht anerkennen, dann schaden sie der Demokratie, die sie doch zu schützen vorgeben.

Das war ein politisches Erdbeben: die AfD gewinnt die Stichwahl um das Landratsamt im Landkreis Sonneberg gegen die CDU

Schon der erste Wahlgang sah für die “Altparteien” (wie die AfD die etablierten Parteien gerne nennt) nicht gut aus: Die AfD führte mit 46,7%. Die CDU lag mit 35,7% deutlich dahinter. Weit abgeschlagen die SPD (13,3%) und die Linkspartei (4,4%).

Eine große Werbeaktion ging durch die ganze Republik, um die 51% Nichtwähler für die Stichwahl an die Urne zu bringen. Man möge doch bitte den einen Kandidaten der “demokratischen Parteien” (“Altparteien”-Slang) wählen.

Dem Wahlaufruf folgten dann 59,6% der Wahlberechtigten. Es gingen also zusätzlich 10,5% der Wahlberechtigten zur Stichwahl. Die AfD gewann mit 52,8%. Die Kampagne um die Nichtwähler brachte also den gegenteiligen Effekt. (Zahlen siehe hier.)


Der Aufschrei der selbsternannten “demokratischen” Parteien war groß. Was tun? Das war der Sonneberger Kemmerich-Moment: wie macht man diese Wahl rückgängig?

Sonneberg-Wahl rückgängig machen?

Und sieh an, da findet sich doch was. Das thüringische Kommunalwahlgesetz (siehe https://landesrecht.thueringen.de/bsth/document/jlr-KomWGTHrahmen) schreibt in §24 Abs 3 vor, zum Landrat

“kann nicht gewählt werden, wer nicht die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt.”

Und das wäre doch bei der AfD ziemlich offensichtlich ein KO-Kriterium.

Und so machte sich dann auch das Innenministerium Thüringens flugs an die Arbeit. Am 28.6.2023 vermeldete der MDR eine Stellungnahme der Innenstaatsskretärin Katharina Schenk.

Katharina Schenk (Wikipedia) ist Mitglied der SPD, genauso wie ihr Dienstherr, der thüringische Innenminister. Zur Erinnerung: das ist die Partei, die in Sonneberg bei der Landratswahl im ersten Wahlgang 13,3% und in der Stichwahl ganze 0% geholt hat. Da wedelt demokratisch also der Schwanz mit dem Hund.  

“Wie Innenstaatssekretärin Katharina Schenk am Dienstag mitteilte, soll das Landesverwaltungsamt den AfD-Politiker Sesselmann nun auf Verfassungstreue prüfen. … In Sesselmanns Fall bestünden Zweifel, weil die Thüringer AfD vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde. Es handele sich um eine Einzelfallüberprüfung, das Ergebnis sei völlig offen. Die Prüfung könne aber erst begonnen werden, wenn Sesselmann das Amt als Sieger der Landratswahl im Kreis Sonneberg angenommen habe.”

Dieser Versuch, die Landratswahl rückgänig zu machen, ist politisch töricht

Mit dieser Aktion der Landesregierung können die „Altparteien“ in ihrer Neuauflage der Nationalen Front der DDR nur verlieren. 

Diese “Einzelfallüberprüfung” kann ja nur zwei verschiedene Ergebnisse haben.

Mal angenommen, das SPD-Innenministerium kommt tatsächlich zu dem Schluss, ein AfD-Politiker könne in Thüringen nicht Landrat werden, was passiert dann?

Was würde ein derart singulärer Vorgang für die Demokratie in Deutschland bedeuten? Die Politikverdrossenheit würde noch einmal steigen. Es wäre der Beweis, dass man “die da oben” nicht abwählen kann. Es wäre der Beweis, dass echte Opposition in Deutschland verboten ist.

Sind wir hier in Russland, oder gar in der DDR? Wer regiert noch gerade in Thüringen? Der Ministerpräsident gehört zur mittlerweile 2x umbenannten SED a.k.a “Linkspartei”.

Wie würden AfD-Wähler reagieren? Würden die sagen, dann gehen wir halt alle nach Hause und bei der nächsten Landratswahl sind wir dann nicht mehr dabei? Was bedeutet das für die Landtagswahl 2024, wo für die Parlamentsmitglieder dieser Passus nicht im Gesetzt steht?

Meint da tatsächlich irgendjemand von denen “da oben”, dass man auf die Weise AfD-Wähler zurückgewinnen kann?

Der Fall ginge auch unmittelbar vor Gericht und auf Jahre hinaus, für die gesamte Dauer des Verfahrens hätte die AfD kostenlose Werbung. Ankündigung einer einstweiligen Verfügung, einreichen eines Antrags auf einstweilige Verfügung, Verhandlung einer einstweiligen Verfügung, ggf. Dasselbe nochmal auf Ebene des BGH und des BVG. Und dasselbe nochmal für das Hauptverfahren.

Und das für eine Partei, die in den meisten Medien gar keine Anzeigen schalten kann, weil man ihre Aufträge gar nicht erst annimmt.

Besser könnte es für die AfD gar nicht laufen.

Und nehmen wir anders herum einmal an, das Innenministerium erhebt keine Einwände gegen den Amtsantritt von Sesselmann?

Dann hätte die AfD es amtlich, dass ihr Kandidat ein Demokrat ist. Jeder Versuch, Herrn Sesselmann auszubooten, politisch im Kreistag kaltzustellen, alles Gerede von den “demokratischen Parteien”, wie sich diese Parteien selbst nennen, wäre ein offensichtliches demokratisches Foul.

Besser könnte es für die AfD gar nicht laufen.

In beiden Szenarien gilt also: Besser könnte es für die AfD gar nicht laufen.

Ich bin über dieses demokratische Foul gegenüber die AfD schon auf der Zinne, dabei bin ich da vor 1,5 Jahren ausgetreten!

Mir sagte kürzlich jemand, dessen Meinung ich sehr schätze: “Du glaubst echt immer noch, dass wir in einer Demokratie leben?” Und ich muss feststellen: Ich hatte es zeitlebens geglaubt, aber mittlerweile habe ich Zweifel. Und wenn das Innenministerium in Sonneberg die Notbremse zieht und die Kemmerich-Karte ausspielt, dann hätte ich den Beweis.

Und da macht man allen Ernstes dem Bundesvorsitzden der Freien Wähler, Aiwanger, Vorwürfe, weil er dazu aufgefordert hat, die schweigende Mehrmeit müsse sich die Demokratie zurückholen?