von demokratischen Erdrutschen

„erstaunlich, wozu einige Politiker fähig sind,“ meint die SPD in Ellerau, einem 6000-Einwohner-Dorf vor den Toren von Hamburg. Die Sozialdemokraten empören sich dort gerade über einen ausgesprochen demokratischen Vorgang. Es stellte sich nämlich heraus, dass man mit der AfD tatsächlich zusammenarbeiten kann. Jedenfalls dann, wenn die Mindestgröße für eine Fraktion in Schleswig-Hosteinischen Gemeinderäten bei zwei liegt und jeder der drei Beteiligten selbst nur einen Sitz hat. Fraktionen bekommen Sitze in den Ausschüssen. Mit Sitzen in den Ausschüssen kann man mitreden. Und 3 von 24 Stimmen im Gemeinderat können auch schon mal zu Lasten der SPD ein Zünglein an der Waage sein.

Die SPD beklagte sich darüber beim Hamburger Abendblatt:

„Was auf den ersten Blick ein ganz normaler Vorgang zu sein scheint, entpuppt sich auf den zweiten Blick jedoch als politischer Erdrutsch. Denn Mitglieder der liberal-demokratischen beziehungsweise christlich-demokratischen Partei werden hier Partner der rechtspopulistischen AfD“, sagt Lars Schmidt-von Koss, stellvertretender Vorsitzender der Ellerauer SPD, die das neue Bündnis für „höchst bedenklich“ hält.

Das sagt dieselbe SPD, die gerade auf Bundesebene die Möglichkeiten für eine Regierungskoalition mit den Rechtsnachfolgern der Mauerschützenpartei auslotet. (Berichte darüber z.B. hier) Glaushaus, Steine etc. Das zu der Frage, wo sich gerade in Deutschland demokratische Erdrutsche ereignen.

Wie kam es eigentlich zu dieser gemeinsamen Fraktion?

Die Geschichte ist schnell erzählt. Seit kurz nach der Kommunalwahl von 2013 gab es schon drei fraktionslose Gemeinderatsmitglieder. Im April 2016 wechselte ich von der Wählergemeinschaft „Aktives Ellerau“ zur AfD und verließ auf Wunsch von AE deren Fraktion. Damit waren 4 von 24 Mitgliedern der Gemeindevertretung fraktionslos. Erste Gespräche über eine mögliche Fraktionsgemeinschaft blieben über den Sommer 2016 zunächst erfolglos.

Die Wende brachte eine Sitzung des Bauausschusses im September 2016.

Wir Fraktionslosen saßen als nicht stimmberechtigte Gäste im Zuschauerbereich, während der Ausschuss über ein Ortsentwicklungskonzept (Ellerau 2030) beriet, das wir noch nicht einmal erhalten hatten. Unsere Rückfrage, warum man uns nicht frühzeitig informiert hatte, wurde mit dem süffisanten Hinweis des SPD-Bürgermeisters beantwortet, dass man alle Fraktionsvorsitzenden informiert habe. Auf unseren Einwand, dass wir ja keiner Fraktion angehören, folgte dann noch (soweit ich mich erinnere von Frau Hansen, der SPD-Fraktionsvorsitzenden) eine spitze Randbemerkung, dass das ja allein unsere Entscheidung gewesen wäre. Nach der Sitzung saß ich mit Herrn Bihl und einigen anderen Gemeindevertretern noch in der Pizzeria und beriet die Sachlage. Das Fazit war: Wenn es einer Fraktionsgemeinschaft bedarf, um als Gemeindevertreter in Ellerau rechtzeitig informiert zu werden, dann können wir das liefern.

Anfang Oktober war es dann so weit. Drei der vier Fraktionslosen schlossen sich zusammen. So gesehen kann man cum grano salis sagen, die Idee zur gemeinsamen BEK-Fraktion (nach den Anfangsbuchstaben unserer Nachnamen: Bihl, Evermann, Kwoll) stammte von der SPD.

Und der Verwaltungsrat der Kommunalbetriebe?

Herr Schmidt-von Koss, der stv. SPD-Vorsitzende am Ort, hat im Abendblatt noch auf die Kommunalbetriebe Ellerau Bezug genommen. Hierzu möchte ich anmerken: diese Fraktionsgründung erfolgte rein zufällig zu einer Zeit, zu der die SPD ihr zweites Verwaltungsratsmandat der Gemeindewerke KBE nachbesetzen wollte. Es war die SPD selbst, die hierbei ausdrücklich auf den Fraktionsproporz verwiesen hat. Dass dieses Mandat nun wohl an die BEK-Fraktion fällt, das ist ein Kollateralschaden, den meiner Meinung nach ausschließlich die SPD zu verantworten hat.

Heiko Evermann
Oktober 2016