Das Bundesschiedsgericht der AfD hat am 27.08.2019 entschieden: Doris von Sayn-Wittgenstein wird aus der Partei Alternative für Deutschland ausgeschlossen. Damit endet eine 9-monatige Auseinandersetzung, die durch einen Welt-Artikel am 28.11.2018 begann.
Um die Entscheidung des Bundesschiedsgerichts zum Rauswurf Sayn-Wittgensteins ranken sich mittlerweile Gerüchte, auch befeuert von Sayn-Wittgenstein selbst. Auf ihrer Webseite schrieb sie
„Willkürlicher und eklatanter Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze“ sowie
„Sinnigerweise enthält das Urteil keine Begründung. Es ist rechtswidrig.“
Ich ziehe es vor, mir mein eigenes Bild zu machen. Am besten kann man das tun, indem man die 44-seitige Begründung des Bundesschiedsgerichts selbst liest. Aber nicht jeder hat Interesse, sich durch so viele Seite durchzuarbeiten. Daher möchte ich an dieser Stelle versuchen, das Urteil möglichst knapp zusammenzufassen.
War Sayn-Wittgenstein Mitglied eines rechtsradikalen Vereins?
Im Verlauf des Verfahrens wurde das Verhältnis Sayn-Wittgensteins zum „Verein Gedächtsnisstätte“ in Guthmannshausen umfassend beleuchtet. Der Bundesvorstand warf ihr vor, in diesem Verein (Förder-)Mitglied gewesen zu sein. Sie selbst bestritt dies. Das Schiedsgericht bewertete dies so:
„Eine Mitgliedschaft in juristisch-vereinsrechtlichem Sinne in dem Verein „Gedächtnisstätte e.V.“ ist der Antragsgegnerin nicht zweifelsfrei nachweisbar.“
Allerdings hatte sich Sayn-Wittgenstein in dem Verfahren mit der Auffassung verteidigt, sie wäre nie Mitglied in dem Verein gewesen, sie habe nur regelmäßig gespendet. Und damit nahm das Verfahren dann eine für sie unerwartete Wendung.
Das Schiedsgericht führt hierzu aus:
„Schon ein einfaches AfD-Mitglied, von dem bekannt geworden wäre, dass es einen Verein wie den Verein „Gedächtnisstätte e.V.“ finanziell und werbend unterstützt, wäre aus der AfD auszuschließen gewesen.“
Das Compact-Interview – verplappert
Hier kommt erschwerend hinzu, dass Sayn-Wittgenstein in einem Compact-Video vom 18.07.2019 über diesen Verein aus dem Nähkästchen geplaudert hat. Das Schiedsgericht fasste dies zusammen als
„Die Antragsgegnerin hat sich vor und während ihrer Mitgliedschaft in der AfD in einem Verein engagiert, der wegen seines rechtsextremistischen
Gedankenguts von zwei Verfassungsschutzbehörden beobachtet wurde und wird und in dem Mitglied zu sein nach § 2 Abs.4 der Bundessatzung der AfD mit einer Mitgliedschaft in der AfD unvereinbar ist.“
Die deutsche Ostgrenze – über dem Limit
Im Zusammenhang mit Guthmannshausen ist besonders Sayn-Wittgensteins Haltung zur deutschen Ostgrenze diskutiert worden. In ihrem Werbeartikel für Guthmannshausen hatte sie 2014 von „unter polnischer Verwaltung“ oder „unter russischer Verwaltung“ stehenden deutschen Ostgebiete geschrieben. Das Bundesschiedsgericht führt dazu aus:
„Die AfD hat sich als Rechtsstaatspartei ganz besonders der Einhaltung und dem Schutz der Verfassung und der Gesetze verpflichtet. Die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als endgültige Ostgrenze der wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland gehört dazu.“
Im Gegensatz dazu hat Sayn-Wittgenstein im Schiedsgerichtsverfahren (!) in ihren Stellungnahmen(!) ausführlich über die deutsche Ostgrenze philosophiert, um ihren damaligen Text zu rechtfertigen und hat sogar vorgeschlagen, diese Gebiete sollten doch eine Volksabstimmung darüber machen, ob sie nicht vielleicht lieber zu Deutschland gehören wollen. Das Schiedsgericht war davon nicht angetan. Es listet 11 Aussagen auf, die ihr Anwalt vorgebracht hat und bewertet diese als „friedensgefährdend und unhaltbar.“
Arnsberg – stehend k.o.
Als krönenden Abschluss hat Sayn-Wittgenstein am 03.05.2019 in Arnsberg, wenige Tage nach ihrem damaligen Freispruch durch das Landesschiedsgericht, kräftig politisch vom Leder gezogen. Das Video dieses Vortrags machte erst kurz vor Schluss der Verhandlungen in der Partei die Runde. Es wurde erst am 05.08.2019 (!) vom Bundesvorstand als Beweismittel eingebracht. Zitiert werden im Urteil diese Aussagen:
- „gehen wir mal davon aus, das Grundgesetz ist eine Verfassung“ (Min. 9:03),
- „was die neuere Geschichte angeht, ist die Quellenlage ja auch nicht umfangreich. Wir wissen, dass die Alliierten viele Dokumente nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmt haben und noch immer unter Verschluss halten“…(Min. 6:40),
- „die Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten … sollte eigentlich ein Qualitätskriterium sein…“ (Min. 19:01),
- „Wir müssen doch auch mal davon abkommen, dass wir nicht nur den wählen, der uns regieren will, sondern möglicherweise auch die Regierungsform, die wir haben wollen oder so. Wer bestimmt das denn?“
Das Bundesschiedsgericht sagt dazu:
„Der AfD wurde und wird (auch) durch diesen erheblichen weiteren Verstoß, der von der Antragsgegnerin sogar noch während eines laufenden Parteiauschlussverfahrens begangen worden ist, ein schwerer Schaden im oben zu I. beschriebenen tatbestandlichen Sinne zugefügt.“
Das Ergebnis der Schiedsverhandlung
In Summe kommt das Bundesschiedsgericht dann zu dem Schluss:
„Dies zeigt, dass die Antragsgegnerin nicht ansatzweise einsichtsfähig ist und dass deshalb die große Gefahr besteht, dass sie die AfD als Bühne und als Verstärker für ihre geschichts- und gebietsrevisionistischen Aktivitäten missbraucht. Eine Partei mit solchen Mitgliedern oder gar Exponenten hat in der Bundesrepublik Deutschland völlig
zu Recht nicht die geringste Chance auf irgendwelchen gesellschaftlichen Einfluss, geschweige denn auf einen noch so kleinen politischen Erfolg.“
Wesentlichen Einfluss auf die Entscheidung hatte damit Sayn-Wittgensteins Verhalten WÄHREND der Verhandlungszeit, ein Verhalten, das sie selbst dokumentiert und verbreitet hat.
Oder wie die Lateiner sagen: „Si tacuisses…“